Nordheim, dessen verhältnismäßig kleine Gemarkung (ca. 1270 ha) östlich an den Alt-Neckar stößt und sich westlich bis auf die Höhen des Heuchelbergs erstreckt, dürfte in der Zeit der fränkischen Staatskolonisation entstanden sein und ist uraltes Siedlungsgebiet, wie entsprechende Funde belegen.

Urkundlich wird Nordheim erstmals im Jahre 823 genannt, als ein gewisser Adelbold einige Mansen mit Häusern, sonstigen Gebäuden, Wäldern, Wiesen, Weiden, Mühlen usw. an das Neustift zu Worms verschenkte. Als Schreibweise für Nordheim finden sich in alten Urkunden auch die Bezeichnungen „Northeim“, „Northem“ usw. Im 13. und 14. Jahrhundert existierte auch ein Ortsadel in Nordheim, der sich nach dem Ort benannte.
Aus der Geschichte





Noch vor 1380 kam der Ort an Württemberg, bildete bis 1803 die nördliche Landesgrenze (Landgraben!) und zählte bis 1938 zum Amt bzw. Oberamt Brackenheim.
Im 30-jährigen Krieg und 1693/94 durch die Franzosen wurde Nordheim wiederholt und weitgehend zerstört. 1810 fielen einem Großbrand die Kirche und 47 Gebäude zum Opfer. Nach der Eröffnung der unteren Neckarbahnlinie Heilbronn-Bietigheim im Jahre 1848 entwickelte sich Nordheim aus der alten Ortslage heraus zunächst in Richtung Bahnstation. In den letzten Jahren wurden attraktive Neubaugebiete hauptsächlich südwestlich in Richtung Zabergäu und östlich in Richtung Heilbronn geschaffen.
Durch die Nähe zum Oberzentrum Heilbronn hat sich die einst hauptsächlich landwirtschaftlich geprägte Gemeinde schon früh zu einer beliebten Wohngemeinde entwickelt, in der aber vor allem der Weinbau noch eine große Rolle spielt. Die Erzeugnisse der Wengerter aus den Einzellagen Sonntagsberg und Gräfenberg sind wohl allen Kennern ein Begriff.
Kunsthistorisch bemerkenswert ist das bischöflich wormsische Rokoko-Pfarrhaus von 1763 sowie das 1593 erbaute alte Rathaus, das einst auf jetzt zugemauerten Rundbogen stand.
Der Ort Nordhausen wurde im Jahre 1700 für 202 zuerst in Hessen angesiedelte Waldenser aus dem Piemont auf ehemaligen Markungsteilen von Nordheim und Hausen an der Zaber (daher der Ortsname: Nordhausen) gegründet.


Die Waldenser waren aufgrund der Aufhebung des Edikts von Nantes durch Ludwig XIV. von Frankreich und des Friedensvertrages von 1696 zwischen Frankreich und Savoyen von ihrem Landesfürsten Viktor Amadeus II. von Savoyen aus ihrer piemontesischen Heimat vertrieben worden.
Nordhausen ist der jüngste der württembergischen Waldenserorte. Die Anlage des alten Ortsteils läßt deutlich erkennen, dass es sich um ein Kolonistendorf handelt.
Im Zuge der Gemeindereform wurde Nordhausen am 1. Januar 1975 in die Gemeinde Nordheim eingegliedert.



Die Sage vom
Fuhrmannsbaum


Schon als der Nordheimer Lehrer Mak 1913 die Sage vom Fuhrmannsbaum bei Nordheim veröffentlichte, war der ursprüngliche Fuhrmannsbaum am Feldweg von Nordheim nach Hausen a.d.Z. auf der Höhe des Wannenberges längst abgegangen. Der Name war noch überliefert, aber dessen Ursprung war schon fast vergessen. Lehrer Mak erzählte die Geschichte neu.



Es war am Heiligen Abend des Jahres 1696. Die Wolken hingen schwarz und schwer über der dunklen Erde; ein rauher Westwind fuhr durch die kahlen Wipfel der Bäume. Endlos goss der Regen auf die Erde und machte die ohnedies schlechten, unbefestigten Fahrwege grundlos. Es fing früh an zu dunkeln. Da fuhr ein Fuhrmann auf dem aufgeweichten Weg durch Nordheim, um eine Fuhre Wein nach Bietigheim zu bringen. Unmutig blickte der finstere Fuhrmann in die Welt, und die triefenden Pferde ließen traurig die Köpfe hängen und stapften träge voran. Ärgerlich über das schlechte Wetter erwiderte der Fuhrmann nicht mal die gutgemeinten Zurufe der ihn bedauernden Einwohner. Der Fuhrmann fuhr links abbiegend zum Dorf hinaus, dem vor dem Dorf beginnenden Hohlweg zu. Der Weg stieg jetzt etwas an, und die zuggewohnten Pferde legten sich fest ins Geschirr. Gleich darauf senkt sich der Weg ins schmale Breibachtal. Auf der anderen Seite des Baches, links neben dem Weg, lag ein tiefer See, der von einer Quelle und vom Bach gespeist wurde. Unheimlich lag das dunkle, ruhige Wasser da. Dann stieg der Weg sehr steil an. Es war nun ganz dunkel geworden, man erkannte kaum noch den Weg. Langsam schlich das Fuhrwerk bergan. Die Pferde mussten ihre ganze Kraft aufbieten, um schrittweise voranzukommen. Noch hatten sie nicht die Hälfte der Anhöhe erreicht, und schon stockte das Fuhrwerk öfters. Der Boden war durch den Regen schlüpfrig geworden, und die Erde hing zäh an Rädern und Hufen. Mit der Peitsche half der Fuhrmann nach, aber es ging nur noch wenige Schritte, die erschöpften Pferde konnten kaum noch. Noch einmal strengten sie sich an, aber es ging über ihre Kräfte. Der Wagen begann schon rückwärts zu gleiten. Da packte den Fuhrmann der Zorn, und er fing an, gotteslästerlich zu fluchen. Die Pferde rafften ihre letzte Kraft zusammen – es ging doch noch etwas bergan. Schon sah der Fuhrmann den oben auf der Ebene stehenden Baum und glaubte, er hätte es geschafft, aber noch war eine steile Steigung zu überwinden. Die Pferde brachten trotz Peitsche und Fluchen den schweren Wagen nicht mehr von der Stelle. In ohnmächtiger Wut rief der Fuhrmann: „Der Teufel soll euch holen!“ Kaum waren ihm die Worte entfahren, als die Pferde sich ängstlich aufbäumten und anfingen zu zittern. Der Wagen kam ins Gleiten, er riss die Pferde mit. Wild packte der Fuhrmann sein Handpferd am Zaum, um es vorwärts zu reißen. Aber es gab kein Halten mehr. Unaufhaltsam rutschte der Wagen die steile Höhe hinab, Pferde und Fuhrmann mit sich reißend, geradewegs dem unheimlichen See zu. Der fürchterliche Schrei des Fuhrmanns tönte durch die Luft und ein gellendes Hohngelächter soll ihm geantwortet haben. Das Wasser spritzte auf, brodelte noch ein wenig, aber bald darauf hatte sich der Wasserspiegel wieder geglättet. Am nächsten Tag sah man nur noch die Spuren, die Pferde und Wagen genommen hatten. Den See gab es schon lange nicht mehr, doch erzählte man sich noch, dass der Fuhrmann, wenn ein weinreiches Jahr bevorstand, am Heiligen Abend in die Hausener Hohle hinein knallte.

Quelle:
Lehrer Mak, Die Sage vom „Fuhrmannsbaum“ bei Nordheim, in: Vierteljahreshefte des Zabergäu-Vereins 14, 1913, S. 37ff.



Die Glocken-
stupfer
Nordheim hatte sich um 1730 gerade wieder von den Kriegen Ende des 17. Jahrhunderts erholt. Aus dem verarmten Flecken mit nur noch wenigen Einwohnern war wieder ein wachsendes Dorf mit reger Bautätigkeit geworden, obwohl auch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts öfters Kriegslärm in der Nähe zu hören war.
1734 herrschte große Unruhe durch Truppenbewegungen in Folge des Polnischen Thronfolgekrieges (1733-1738). Nach dem Tode Augusts des Starken versuchte Frankreich, seinen Kandidaten gegen den von Rußland und Österreich unterstützten Sohn Augusts des Starken, auf den polnischen Thron zu bringen.
Nachdem Frankreich die Festung Philippsburg erobert hatte, machte man sich in Nordheim Gedanken darüber, was getan werden könnte, um wichtige Dokumente und andere wertvolle Gegenstände zu schützen, falls Nordheim wieder direkt von den kriegerischen Auseinandersetzungen betroffen würde wie 1693, als bei der französischen Invasion die Kirche mit zwei Glocken und der Uhr sowie Pfarr- und Rathaus und 30 weitere Gebäude in Schutt und Asche gelegt wurden.
Das Nordheimer Pfarrlagerbuch wurde mit anderen wichtigen Dokumenten auf der Festung Hohentwiel in Sicherheit gebracht. Die Glocken der Kirche wurden „geflüchtet“ und vermutlich im Neckar versenkt. Die Glocken waren so versteckt, ohne dass man sich die Mühe machen müsste, sie zu vergraben oder weitere Strecken zu transportieren. Als die Gefahr wieder vorbei war und Nordheim ohne Schaden davon gekommen war, wollte man wieder die Glocken auf dem Kirchturm läuten hören, anstatt der kleinen Rathausglocke, die nur unzureichend die Aufgaben der Kirchenglocken erfüllt hatte. Die Nordheimer begaben sich an den Neckar und begannen mit Stangen nach den versenkten Glocken zu suchen. Doch so viel sie auch suchten, die Glocken kamen nicht mehr zum Vorschein. Der Neckar hatte sie mit sich fortgetragen oder im Schlamm begraben – wer weiß?! Zum Schaden mußten die Nordheimer auch noch den Spott ertragen: von da an wurden sie „die Glockenstupfer“ genannt.

Quellen:
Dr. Wolfram Angerbauer, Von der ersten urkundlichen Erwähnung bis 1800, in: Heimatbuch Nordheim und Nordhausen, 1999.
Ulrich Berger / Norbert Jung, Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden – ein Betrag zur Glockengeschichte von Nordheim a.N., Nordheim 21997.


VerDächtigungen In der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember 1810 brach in der Scheune des damaligen Schultheißen Jakob Friedrich Bender ein Feuer aus, dem die Nordheimer Kirche und eine ganze Reihe von Häusern zum Opfer fielen. Da ein heftiger Sturmwind herrschte, griff das Feuer schnell um sich, die zum Löschen verpflichteten Männer und Frauen konnten nicht viel ausrichten.
Da dies bereits der zweite Anschlag auf den vermögenden Nordheimer Schultheißen war - erst zwei Monate vorher waren ihm 55 Zwetschgenbäume in einer Nacht böswillig umgehauen worden – leitete die Regierung eine Untersuchung ein.
Der erste Verdacht fiel auf Balthas Scheerle, der einen schlechten Ruf hatte, doch konnte dieser ein Alibi vorweisen: zur Zeit der Brandstiftung hielt er sich nicht Nordheim auf. Auch die Separatisten, eine religiöse Gemeinschaft, die mit der Obrigkeit in Konflikt geraten war und deren Mitglieder teilweise hohe Haftstrafen auf der Festung Asperg verbüßt hatten, wurden verdächtigt. Doch gegen diese gab es außer ihrem schlechten Ruf keine speziellen Verdachtsgründe. Außerdem bezeugten sowohl der Pfarrer als auch der Schultheiß, daß sich diese, seit mit strengen Maßregeln gegen sie vorgegangen worden sei, ruhig verhielten, weder die obrigkeitlichen Personen, sprich den Schultheiß, nicht mehr beschimpften, noch die Kinder von der Schule abhielten. Selbst der „bekannte, höchst gefährlich gewesene Separatist Greulich“ hätte sich so ruhig betragen, daß kein Verdacht gegen ihn vorliege.
Gegen den Bauern Engelbrecht wurde Verdacht gehegt, weil er angeblich schon vor Ausbruch des Brandes angefangen habe, seine Sachen in Sicherheit zu bringen. Doch durch Zeugenbefragung erwies sich, daß er im Bett lag und er und seine Kinder unter den ersten waren, die flüchteten, jedoch nicht vor Ausbruch des Brandes.
Den stärksten Verdacht erregten zwei Verwandte des Balthas Scheerle und der Nordheimer Bürger Jung Friedrich Heilmann. Sie waren nach einer früheren Brandstiftung Ende November 1810 zu einem Wahrsager nach Horrheim (Vaihingen) gegangen. Der Wahrsager prophezeite ihnen, in drei Wochen würde es wieder brennen, sie sollten sich vorsehen. Da Friedrich Heilmann am Tag des Brandes „verdächtige Reden“ gehalten hatte, wurden er und die beiden anderen Verdächtigen festgenommen und verhört. Den Verdacht eines Komplottes versuchte man zu erhärten, doch den beiden Verwandten Scheerles wurde „sichtbare Unschuld“ und ein guter Ruf bestätigt, der Wahrsager stellte sich als „religiöser Schwärmer“, aber nicht als Separatist heraus und auch Friedrich Heilmann, der zwar einen schlechten Ruf hatte, konnte nichts nachgewiesen werden.
Die ganze Bürgerschaft wurde aufgefordert, genau auf die Reden ihrer Mitbürger achtzugeben, ob sich jemand durch unvorsichtiges Reden verraten würde – doch ohne Ergebnis. Schließlich mußte die Untersuchung ohne Ergebnis beendet werden. Der Fall der Brandstiftung, die einen großen Teil Nordheims zerstörte, konnte nie geklärt werden.

Quelle:
Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 146/1, Bü 6127 (Bericht des Ministeriums des Inneren über das Resultat der Untersuchung der Nordheimer Brandstiftung vom 18. Jan. 1811)